Während eines Aufenthalts in den Bergen erhält Tim einen Brief von seinem chinesischen Freund Chang, der schreibt, dass er bald in London ankommen wird und sie sich nach langer Trennung endlich wiedersehen können. Changs Weg nach Europa führt über Kathmandu,...
wo der junge Chinese plant, seinen Cousin, den Adoptivvater, zu besuchen. Doch nach dieser frohen Nachricht folgt eine tragische: Changs Flugzeug ist in den Himalayas abgestürzt. Laut Zeitungsmeldungen gibt es keine Überlebenden des Flugzeugabsturzes, doch entgegen aller Vernunft ist Tim überzeugt, dass sein Freund am Leben ist - schließlich hat er ihn gestern geträumt! Im Schnee versunken, streckte der erschöpfte Chang die Hände zu Tim aus und flehte um Hilfe. Tim beschließt, sofort nach Kathmandu zu fliegen, um von dort zur Absturzstelle zu gelangen. Natürlich kann Kapitän Haddock ihn nicht alleine gehen lassen...
Die Zeitschriftenveröffentlichung des zweihundertsten Bandes von "Tim und Struppi" begann im September 1958 und endete im November 1959 (die Albumversion erschien 1960).
Die Arbeit an der nächsten Geschichte fiel für den Autor mit einer schweren Phase in seinem persönlichen Leben zusammen, die ihm tiefe Depressionen kostete. Hergé stand vor einer seit langem aufgeschobenen, aber äußerst quälenden Entscheidung über die Scheidung. Für ihn, einen äußerst konservativen Menschen, der in Beziehungen vor allem Zuverlässigkeit und Beständigkeit schätzte, erschien die Notwendigkeit, eine solche Entscheidung zu treffen, als eine gewaltige Katastrophe. Ein Rückzugsort für Hergé war einmal mehr die Kreativität: Kein Wunder, denn er hatte längst verstanden, dass Tim sein bester Psychotherapeut ist.
Die ursprüngliche Idee für das 20. Album kam dem Autor bereits am Ende der Arbeit an dem vorherigen Band ("Die Haie des Roten Meeres", 1958): die Grundlage sollte eine Kriminalgeschichte sein, in der Nestor, der unermüdliche Butler von Schloss Moulinsart, die Hauptfigur sein sollte. Doch je mehr Hergé darüber nachdachte, desto weniger gefiel ihm diese Idee. Parallel dazu kam ihm ein völlig anderer Gedanke, den er mit wenigen Worten beschrieb: "tibetische Weisheit - Lamas - Schneemenschen" (dieses Notizblatt ist in den Archiven erhalten geblieben - ebenso wie die Erwähnung, dass Hergé bereits vor etwa 20 Jahren die Idee eines "tibetischen" Abenteuers in Betracht gezogen hatte). Diese Idee erschien dem Autor fruchtbar genug. Es blieb nur, einen triftigen Grund zu finden, um seine Helden nach Tibet zu schicken. Als Erster half ihm Tournesol: Warum sollte der unruhige Professor nicht den Wunsch haben, den Schneemenschen zu finden und damit ein weiteres wissenschaftliches Geheimnis zu enthüllen? Dafür könnte er durchaus nach Tibet reisen – und selbstverständlich würden ihm seine Freunde folgen. Doch fast sofort wies Hergé diese Idee als völlig untragbar zurück: Tournesol ist ein zu materieller, zu "mathematischer" Mensch, um der Hauptantrieb der Geschichte zu sein, die der Autor nicht einfach als Abenteuer sah, sondern eher als eine Art spirituelle Suche, eine Initiation. Und genau dann erinnerte sich Hergé an Chang, die Figur aus "Der Blaue Lotos"! Der Saat des Plans war gesetzt, der Rest war bereits Technik: Die mühsame Vorarbeit begann.
Die Hauptinspirationsquellen für Hergé waren die Schriften von Alexandra David-Néel (1868-1969), einer französischen Opernsängerin und unermüdlichen Tibetforscherin; Berichte der ersten Europäer, die die Himalaya-Gipfel eroberten - Edmund Hillary (Mount Everest) und Maurice Herzog (Annapurna) - sowie die Arbeiten von Bernard Heuvelmans (1916-2001), einem der Stützen (und tatsächlich Gründer) der Kryptozoologie. Hergé hielt es für notwendig, persönlich mit Herzog und Heuvelmans Kontakt aufzunehmen, und diese Bekanntschaften stärkten nur den Glauben des Autors an die Richtigkeit der gewählten Handlung. Übrigens waren beide sich des Bestehens des Yeti sicher: Herzog versicherte, dass er im Schnee Abdrücke gesehen hatte, die keinem bekannten Lebewesen angehörten.
"Tim und Struppi in Tibet" steht in Hergés Werk ganz allein. Fast alle Tintinologen betrachten dieses Album als das beste. Es hat Hergé endgültig den Status eines der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts verschafft, was durch den auch 40 Jahre nach dem Tod von Georges Remi ununterbrochenen Zustrom von Artikeln, Forschungen, Dissertationen, philosophischen Abhandlungen, Parodien und Pamphleten (wo wäre man ohne sie!) über die unterschiedlichsten Aspekte der Serie belegt wird. "Tim und Struppi in Tibet" ist ein absolut kammermusikalisches, sanftes Album. Man könnte es scherzhaft sagen, im Grunde gibt es darin nicht einmal einen Konflikt; mehr noch - keinen einzigen negativen Charakter! Die Anzahl der Figuren ist auf ein Minimum reduziert. Im Zentrum der Erzählung stehen drei - Tim, der Kapitän und Milu. Zum ersten Mal seit vielen Jahren sehen wir auf den Seiten keine Duponts. Das Erscheinen von Tournesol kann man an einer Hand abzählen. Es gibt kaum auch nur die von Hergé so geschätzten Verweise auf frühere Alben und dem Leser bekannte Figuren (außer vielleicht die allgegenwärtige Stimme von Bianca Castafiore, die immer noch durch die Umgebung die ewige "Arie der Kostbarkeiten" trägt). Nichts – nur das blendende Weiß der endlosen Schneefelder Tibets, in dem die Forscher (unter Berücksichtigung der radikalen Veränderungen im persönlichen Leben des Autors) eine Allegorie des "reinen Blattes" und des neuen Anfangs sehen. Anders gesagt, "Tim und Struppi in Tibet" ist ein Initiationsalbum, ein Eintauchalbum (vor allem in sich selbst). Wusste zum Beispiel Kapitän Haddock, dass in ihm "ein Glaube lebt, der Berge versetzen kann"?
Autor: Эрже
Verlag: Melik-Pashaev
Serie: Die Abenteuer von Tim und Struppi
Altersgrenzen: 12+
Jahr der Veröffentlichung: 2023
ISBN: 9785000415573
Anzahl der Seiten: 64
Größe: 297х223х10 mm
Einbandart: Hard
Gewicht: 530 g
ID: 1572044
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